9. September 2001 - Irrwege

Irgend ein LKW muß in dieser Nacht über uns gefahren sein. Mit der Geschmeidigkeit eines Geldschranks steigen wir aus dem Bett. Die erste sportliche Höchstleistung wird darin bestehen, auf das Motorrad zu kommen. Nach dem Frühstück kehren schon erste Lebensgeister zurück. Als wir dann über 17 Asphaltkehren auf dem Colle di Tenda angekommen sind läuft alles wieder rund.

Über eine normale 4-5 Meter breite Schotterstraße geht es ab, Richtung Baisse de Peyrefique. Schon nach kurzer Zeit liegt links das Fort Marguerie am Wegesrand. Von hier hat man einen guten Blick auf 48 Kehren.

Das Fort will natürlich erkundet werden.

Nachdem wir einmal herum gelaufen sind, finden wir endlich einen Eingang. Endlich ein Fort in das man hinein kann. Es ist noch ziemlich gut erhalten. Im Gegensatz zu den Mannschaftsunterkünften vom Central haben die Räume alle noch Decken. Das macht es dunkel und ein wenig unheimlich. Prima!

Durch lange Gänge arbeiten wir uns bis in einen kleinen Innenhof vor. Hier will einiges Geröll überquert werden, ehe man über eine Schräge aufs grasbewachsene Dach gelangt. Hier kann man dann alles noch einmal ablaufen. An einer Kante fällt auf, daß hier offenbar schon ausgebessert wurde. Sie scheint völlig neu verputzt zu sein.

Auf dem Rückweg stellen wir fest, daß auch "unter Tage" die eine oder andere Hand angelegt wurde. Es hat den Anschein, als ob die Franzosen dieses Fort nicht dem Verfall preis geben wollen. Hier scheint noch einiges an zu liegen.

Nachdem wir das Fort nun ausgiebig besichtigt haben, machen wir uns weiter auf unsern Weg. Denzel gibt der Straße einen Schwierigkeitsgrad von 4. Das liegt wohl schon etwas zurück. Denn auch an der Straße hat jemand Hand angelegt. Sie ist nicht nur ungewöhnlich breit, sondern auch in einem guten Zustand. Nach einigen Kilometern Schotter liegt dann auch noch bis etwa zur Baisse de Peyrefique Asphalt. Offenbar wurde die Straße für die überall angepriesenen 4x4-Touren ausgelegt. So begegnet uns dann auch bald die erste von vielen Kolonnen mit Allradfahrzeugen. Die fahren in Gruppen von bis zu 15 Fahrzeugen hintereinander her. In einem Tempo, das einem die Füße einschlafen läßt. Dankenswerter Weise kommen sie uns alle entgegen. Um die Lage für die Piloten nicht noch schwieriger zu machen, fahren wir jedes Mal rechts ran und lassen sie passieren. Das wird dann mit dankbarem Gruß quittiert.

Die schwierigste Passage ist zunächst einmal eine bergwärts liegende Tränke. Eine Kuhherde hat nämlich Durst und trottet Kuh für Kuh zur Tränke. Das Rindvieh hat offenbar nicht vor uns durch zu lassen. Der ein oder andere Hornträger stiert uns grimmig an. Ob die Straße vielleicht doch noch freigegeben wird können wir nicht abwarten. In der Nähe von Kühen sind immer viele Fliegen und die gehen uns ziemlich auf den Geist. Also quetschen wir uns irgendwie durch. Das Viehzeug gibt den Weg aber nur widerwillig frei.

Die Baisse de Peyrefique findet sich irgendwo am Wegesrand - ohne daß sich die Stelle durch irgendetwas besonders auszeichnet. Es ist nicht hoch, es ist kein Platz und Aussicht gibts auch nicht. Das einzige was da bemerkenswert ist, ist das riesiege Schild. Daher übersieht BIG das Schild gleich zwei mal.
Etwas später erreichen wir die Baisse d`Urne:

Hier führen mehrere Wege ab. Ganz rechts ein mit "Mont Agnel" und "Tende" ausgeschilderter Abzweig. Halb rechts setzt sich die Straße in eine nicht bezeichnete Richtung fort. Und links ist ein neu angelegter Erdweg - ebenfalls ohne Ziel. Nach nochmaliger Denzel-Lektüre kommen wir zu dem Schluß, daß sowohl der neu aussehende Erdweg als auch der sich halb rechts fortsetzende Weg neu sein müssen und unser Ziel rechts liegen muß.

Und tatsächlich erreichen wir den beschriebenen torgleichen Felsen mit dem links liegenden Abzweig zum Aussichtspunkt.

Dieser Weg führt über drei Kehren, anfangs grob geschottert später deutlich erdiger wahrhaftig zum Aussichtspunkt.

Die herrvorragenden Ausblicke beeindrucken allerdings weniger. Allein der gut versteckte Bunker (der leider völlig im Dunkeln liegt) kann ein paar Blicke auf sich ziehen. Wir nehmen uns erneut vor, beim nächsten mal eine leistungsfähige Taschenlampe mitzunehmen.

Der Weg geradeaus durch das Felsentor endet zunächst einmal auf einem Wiesenhügel. Kurz vor diesem Endpunkt geht es aber noch einmal rechts ab und über etwa 10 sehr enge Kehren hoch auf den Mont Agnel. Der Weg wird immer schmaler und schmaler bis er schließlich zur Traileinlage wird.

Die Fahrspuren führen weiter bergab, das Gelände wir zusehens steiler, übersäht mit kopfgroßen Steinen und Wurzeln. Dann verlaufen sich die Spuren im Gebüsch. Wir können auf diese Erfahrung verzichten und machen kehrt.

Wenn man den Denzel richtig lesen könnte, hätte man gewarnt sein können. Nachdem er den Abzweiger zum Agnel am Felsentor erwähnt hat macht er einen Gedankenstrich. Er ist offenbar nicht auf die Idee gekommen, daß man an dieser Stelle weiter geradeaus fahren könnte. Wahrscheinlich hat es die Straße weiter geradeaus aber auch noch nicht gegeben, als er das geschrieben hat. Man konnte bis zum Wiesenhügel gut erkennen, daß hier gearbeitet wurde. Es ist also vorstellbar, daß der Weg über den Agnel weiter ausgebaut wird.
Wir kehren also zur Baisse d`Urne zurück und fahren halb rechts weiter. Als wir die im Denzel abgebildete Brücke passieren, sind wir sicher, auf dem richtigen Weg zu sein. Ich nutze die Pause für ein paar Notizen, während BIG versucht das denzelsche Foto nachzustellen. Er kann aber die Stelle nicht finden und erklärt daher, daß es doch eine andere Brücke sein müsse. Die sehen doch alle gleich aus. Wir werden nie erfahren, ob es die richtige Brücke war - aber es war wenigstens der richtige Weg.

Wenig später beginnt der mit SG 4 angedrohte Abstieg: loser grober Schotter, teilweise auf hinlänglich bekannter alter Militärpiste, teilweise auf weiterem losen Schotter oder Waldboden. Aus noch ungeklärter Ursache überkommt mich eine nicht zu unterdrückende Panik, das Motorrad nicht kontrollieren und abstürzen zu können. Obwohl ich schon ganz andere Wege gefahren war und es hätte besser wissen müssen, versuchte ich mit aller Macht den Lenker ruhig zu halten. Das Ergebnis war, daß mir nach kurzer Zeit die Kräfte ausgingen, was die Sache nicht einfacher machte. Ich wurde viel zu langsam und ertappte mich dabei, wie ich die Vorderradbremse betätigte. Auf diese Art fuhr ich mich mehrmals fest, hatte große Steine vor dem Hinterrad, so daß ich die Domi vor und zurück ruckeln mußte um daran vorbei zu kommen. Bei einigem Gefälle raubt das ordentlich Kraft. Schließlich kam ich nur noch füsselnder Weise voran. Die Kröhnung war ein schmales Stück mit kopfgroßen Steinen. Danach kam dann zu meiner Rettung Asphalt - 5 km früher als angekündigt. Ich war völlig erschöpft und hatte zudem für diese Sch...-Vorstellung überhaupt kein Verständnis. Vermutlich hatte ich den Ausrutscher doch nicht gut verkraftet.

Die Straße führte uns bis Tende.

Von dort bogen wir rechts Richtung St. Dalmas de Tende ab und schraubten uns erneut die 13 km bis Casterino den Berg hinauf. Von hier geht eine Straße zurück zur Baisse de Peyrefique ab. Diese war anfangs von Ausflüglern übersäht. Erst als der Asphalt endete und ein Hinweisschild erschien, daß den restlichen Weg lediglich für 4x4-Fahrzeuge empfahl, hatten wir freie Fahrt auf Schotter. Auch hier lagen viele lose Steine herum und wir mußten durch die eine oder andere üble Auswaschung fahren.

Vielleicht weil es bergauf ging, hatte ich mit der Bewältigung dieser Strecke überhaupt kein Problem. Obwohl sie neutral betrachtet auch nicht viel besser war als die bergab-Strecke nach Tende. Wir erreichten die Baisse de Peyrefique, die BIG erneut übersah und fuhren wie gehabt zurück am Hotel vorbei ins höchst lebendige Limone. Sonntags ist da offenbar der Teufel los. Wir hoben etwas Geld ab und machten uns den Umstand zu nutze, daß der Supermarkt entgegen der angekündigten Öffnungszeiten noch offen hatte. Diesmal hatten wir bei der Auswahl des Weines ein besseres Händchen.

Statistik
Tageskilometer 97  
Startzeit 10:15 Uhr  
Endzeit 18:15 Uhr  
Denzel Kz. 524 Baisse de Peyrefique