4. September 2001 - Shit happens

Guten Morgen Regen. Der Himmel wolkenverhangen, teilweise eine dichte, dunkle Decke. Doch an den allerdunkelsten Stellen lockert es auf. Oder ist das Einbildung? Doch, es wird besser - nur nicht in unserer Richtung. Aber egal, darauf können wir keine Rücksicht nehmen.

Wir machen uns auf in Richtung Vinadio. Kurz dahinter kommt der Abzweiger zum Colle della Lombarda. Ein hübsches kleines Sträßchen mit interessanten Schluchten. Die Domi ist ja in der Startphase immer etwas übellaunig. Aber heute schießt sie den Vogel ab. Wann immer die Pilotin vor der Kurve herunter schaltet (gar in den ersten zurück), stottert und klappert sie gar fürchterbar und kann nur mit weiblichen Feingefühl am Leben erhalten werden. Oben am Col liegen meine Nerven aber blank - mittels Schraubenzieher wird das Standgas ordentlich aufgedreht. Immerhin haben wir noch ganz andere Höhen auf der Rechnung. Und tatsächlich ein völlig neues Fahrgefühl. Toll! (Dumm nur, daß sie von nun an im Tal mit 2000er Leerlauf protzt.)

Am Col (Lombarda) gibt es interessant aussehende Abzweiger. Reiner Schotter. Leider ignoriert der Denzel die Existenz dieser Straßen. Ein Schild gibt als Ziel einen Col de Tessini (oder so ähnlich) an. Aber welcher Weg ist gemeint? Da einer der beiden Wege in's Tal führt, wird wohl der andere gemeint sein. Auf unserer italienischen Karte gibts die Wege auch nicht. Die französische Karte kennt nur einen Weg, der nach Santa Anna zurück führt. Da kommen wir im Prinzip gerade her. Aber vielleicht ist auf dem Rückweg noch Zeit.

Wir fahren also weiter durch Isola 2000. Es war eine gute Idee hier gestern nicht nach einem Zimmer gesucht zu haben. Eine reine Retortenstadt, die vermutlich erst bei einsetzendem Schnee zu Leben erwacht. Jetzt jedenfalls ist alles verriegelt und verrammelt. Auf französischer Seite ist die Passtraße fast autobahnähnlich ausgebaut (vermutlich für endlose Buskolonnen im Winter) und landschaftlich eher langweilig. Schließlich gelangen wir nach Isola. Ein hübsches Dörfchen. Durchs Tinée-Tal gehts bis zum Pont Haut.

Da die Abfahrt über den Col de la Moutière von oben (irgendwo am Restefondpass) schwer zu finden sein soll, endschließen wir uns, es statt dessen von unten angehen zu lassen. Wir nehmen also den linken Abzweiger Richtung Moutière. Die ersten Kilometer sind asphaltiert. Wir fragen uns schon, ob wir nicht einer Fehlinformation aufgesessen sind. Denn der Asphalt nimmt kein Ende und die gesamte Straße ist völlig leer. Kein Mensch unterwegs. Bei ausgesprochen mittelmäßigem Wetter erreichen wir den Col de la Moutière. Ein sagenhaft langweiliger Col.

Noch ein Stück die Straße entlang und man erreicht tatsächlich eine Kreuzung, die sich durch keinerlei Beschilderung auszeichnet. Am Boden liegend befindet sich noch eine Holztafel, die wohl das umherfahren verbietet. Vielleicht verbietet sie auch die Weiterfahrt auf dem Pfad (der mutmaßlich nach Bayasse führt). Wir verschieben die Entscheidung ob hier gefahren werden darf auf später und nehmen den Weg bergauf, was uns zum Col de Restefond bringen sollte.

Denzel schreibt irgendetwas von Grasnarbe und empfielt nur bei wirklich gutem Wetter zu fahren. Sicher es ist etwas nass, was den Weg ziemlich glitschig macht. Aber wir haben ja Enduros und Conti's TKC 80 - also genau das richtige für Dreckwege. Der denzelsche Hinweis braucht uns also nicht zu kümmern. (Ha, Ha, Ha). Bald stellt sich heraus, daß eine Enduro und ein guter Reifen nicht ganz ausreichen. Die Ténéré sitzt fest. Es folgt eine kurze Schiebe, ein paar Meter fahren und wieder sitzt sie fest. Dabei sieht es eigentlich gar nicht so matschig aus an dieser Stelle. Also noch mal Schiebung. Leider bewegt sich das Dickschiff keinen Meter. In das bisschen Dreck, was sie mit dem Hinterrad nicht auf mich schleudert, gräbt sie sich immer tiefer ein. Wir sehen uns verwirrt an - was ist hier eigentlich los? Das Vorderrad bewegt sich keinen Milimeter mehr. Dort hat sich ein Pfropfen aus Matsch und Schotter zwischen Reifen und Schutzblech gebildet, der das Rad völlig blockiert. Die Pampe sitzt da so fest drin, daß BIG das Schutzblech abbauen muß.

Um unsere Stimmung noch weiter sinken zu lassen, kommt recht kalter Wind auf und der Himmel verdunkelt sich zunehmend.

Da ich wenig Lust verspüre auch mein Schutzblech abbauen zu müssen und angesichts der immer dunkler werdenden Wolken eine gute Chance besteht, daß Regen den Matsch in Schlamm verwandelt, kehren wir um. Beim ersten Sonnenloch legen wir eine weitere Rast ein. Der TKC beschmeißt die Tätärä übel mit Steinen und der Kühler ist nur bedingt geschützt. Also Schutzblech wieder dran.

Auf der Weiterfahrt zurück zum Pont Haut kommt wieder Fahrspaß auf. Die Geschwindigkeit erhöht sich und die Kurven auf der vereinsamten Straße lassen sich rhytmisch durchfahren. Leider verirrt sich unerwartet doch noch ein Auto auf die Straße und taucht plötzlich im Gegenverkehr auf. Ich bin zu weit links, muß nach rechts, Lenkkorrektur, Splitt übersehen, die Domi rutscht übers Vorderrad und schon finde ich mich rutschender Weise auf der Straße wieder. Das ganze kommt noch einige Meter vor dem Auto zum halten. Mein Stiefel hat sich zwischen Alukiste und Auspuff verklemmt. Trotz einiger Tritte kann ich mich nicht befreien. Die Autopiloten kommen mit kreidebleichen Gesichtern (das muß ja klasse ausgesehen haben) angelaufen und heben zusammen mit BIG die Domi wieder auf. Erst nachdem ich nicht weniger als 5 mal erklärt habe, daß es mir gut geht, beruhigen sich die Franzosen und fahren weiter.
Ich kann mich noch darüber freuen, keinen neuen Blinker gekauft zu haben, denn den hat's pulverisiert. Die Domi und die Pilotin haben ein paar Schrammen, der getretene Hitzeschutz hat eine dicke Delle und sowohl mein Daumen als auch meine Jacke haben ein Loch. Da sich der Ellbogenprotektor durch Wegdrehen in Sicherheit bringen konnte, hat mein Arm noch eine blutige Schramme. Das wars. Na ja, nicht ganz. Ganz erhebliche Verletzungen wies mein Selbstbewußtsein auf. Denn das alles geht voll auf meine Kappe.
Wir isolieren die Kabelreste vom Blinker und verpflastern mich. Ein schöner Auftakt.

Wir lassen uns den Tag aber nicht vermiesen und gönnen uns noch eine Fahrt auf den Col de la Bonette. Vom Regen bleiben wir verschont, aber da oben ist es bitter kalt und es weht eine steife Briese. Aber eine Rundfahrt über die Cime de la Bonette muß noch drin sein. Mit eisig kalten und entsprechend steifen Fingern (die warmen Handschuhe liegen im Hotel) mache ich schnell ein paar Fotos. Für die Panoramafunktion hat es aber nicht gereicht. (Wie hätte ich auch bei dem Wind die Kamera ruhig halten können).

 

Weiter gehts Richtung Restefond (den Abzweiger nach Bayasse, also die Matschstrecke hätten wir nie gefunden. Vom Bonette kommend liegt er vielleicht hundert Meter vor dem Restfort (wobei der Col de Restefond auch nicht so einfach zu finden ist) auf der linken Seite. Die Ausschilderung besteht in einem gelben Baustellenschild, in dessen Text irgendwo der Moutière aufgenommen ist.) Von hier oben sieht der Weg deutlich trockener aus. Wahrscheinlich hätten wir nur noch eine Kurve durch Matsch fahren müssen und wären durch das gröbste durch gewesen. Ich sehe mich mit meinen nahezu unbeweglichen Finger jedoch nicht in Lage, mich noch mal durch den Matsch zu wühlen. Wir fahren also weiter am Restfort vorbei bis hinunter nach Jausiers. Jetzt ist es Zeit die Futter in die Jacken zu kletten. Auf dem Weg zum Col de Larche, irgendwo am Flüßchen Ubayette entdecken wir interessante Bauten, die mitten in den Berg gehauen sind - leider kein Foto.

Den Col de Larche hatten wir letztes Jahr mit einiger Ignoranz überfahren, die Bilder zeigen warum.

Die Passtraße ist eine wichtige Verbindung, ist in weiten Teilen groß ausgebaut und es fahren immer (wirklich immer) etliche LKW vor einem her.

Statistik
Tageskilometer 213  
Startzeit 9:45 Uhr  
Endzeit 20:30 Uhr  
Denzel Kz. 432 Col della Lombarda
  Kz. 517 Co de la Moutière
  Kz. 516 Col Restefond;
Col de la Bonette
  Kz. 509 Col de Larche