6. September
2001 - Die obere Maria* (* Varaita - Maira - Kammstraße) Wir starten (von
Demonte) Richtung Borgo S. Dalmazo, durch Caraglio bis
Busca. Hier ein Stück Richtung Rossana. Noch deutlich
vor Rossana hätte es links ab gehen müssen. Also zurück:
Ein Feldweg mit unbekanntem Ziel, bergab? Nein, das kann
es nicht sein. Ein Waldweg zu einem Restaurant,
irgendwie? Sieht besser aus. Aber der Col des Rossana (mit der gigantischen Höhe von
617 Metern über normal Null ohnehin leicht zu übersehen) über den wir müssen, den
wird man über diese Straße nie erreichen. Er liegt nämlich
auf der Straße zwischen Busca und Rossana und ist nicht
Teil der Kammstraße. Ein Umstand, den man erst
begreift, wenn man die Karte und den Denzel ausgiebigst
studiert und die Strecken schon gefahren ist!
Also erst dann, wenn es schon nicht mehr wichtig ist. Wer immer der italienischen Sprache mächtig ist, wird jetzt schon grinsen. Wir jedenfalls haben recht blöd geschaut, als wir erkannten was mit Volo Delta gemeint ist: Ein Absprungplatz für Gleitschirme: Ich war auf dem steilen Anstieg bereits verhungert und überlegte gerade, wie ich die Domi in dieser leicht unangenehmen Sitution dazu bewegen könnte, durch die vor ihr liegende steile Rinne zu klettern, als ich einen wild fuchtelnden Yamaha-Piloten am Horizont erkenne. Ich gönne dem Motor eine Pause und erfahre, daß es sich um eine Sackgasse handelt. Wir wenden meine Maschine, werfen die gröbsten Brocken aus der Fahrspur und atmen noch mal kräftig durch. Überraschend einfach gestaltet sich die gefürchtete Abfahrt. Das mulmige Gefühl, das sich einstellt, wenn das Vorderrad plötzlich schon im Tal zu sein scheint, während der Fahrer sich noch auf dem Berggipfel wähnt, verschwindet beim ersten Betätigen der Heckbremse und dem Umstand, daß das Motorrad einfach verzögert - ohne daß der Reifen die Haftung verliert und sich querstellt (wie im letzten Jahr). Conti sei Dank - der TKC 80 ist eine echte Empfehlung. Wir fahren nun also
doch rechts nach nirgendwo. Es folgen einige anstrengende
Kilometer in der bereits bekannten Kombination von Erde,
Steinen, Auswaschungen und Militärstraßenresten. Naß
geschwitzt beginne ich zu hoffen, diesen Weg nicht zurückfahren
zu müssen, als mich plötzlich aus dem Wald ein Camper
anstarrt. Ich schenke ihm ein möglichst freundliches
Nicken während ich mich frage, wie der Mensch seinen
Campinganhänger wohl hier her gebracht hat. Die Antwort
erhalte ich zwei Kurven weiter: Unser Pfad mündet in
eine gut ausgebaute Asphaltstraße, die Strecke in
Richtung Col di Valmala. Die Asphaltstraße zum Col die Valmala geht bald in ein fast steigungsloses Erdsträßchen über. Gut ausgeschildert ist der Colle Birrone, an dem ein Abzweig nach S. Damiano führt. Nach weiteren Schildern hält man vergeblich Ausschau. Es gibt aber auch keine weiteren Alternativen mehr, so daß man sich wenigstens nicht verirren kann. Am Colle Birrone steht ein großes Kreuz nebst Bank. Ein kleiner grauer Kasten erregt meine Aufmerksamkeit. Er gibt zwei Kalender frei, in denen Passanten Grüße eingetragen haben. Ich verleihe unserem Wunsch nach "mehr Action" Ausdruck. BIG
fotografiert die Szene bis die Batterien aufgeben. Aber
das haben wir vorausgesehen und haben selbstverständlich
frisch geladene Ersatzbatterien dabei. Nur Pech, daß
sich auf der Reise wohl mindestens eine der vier
Batterien entladen hat und sich die Kamera daher weigert,
mehr als ein (!) Foto zu machen. Die
Fortsetzung des Weges erfüllt dann auch gleich unseren
Wunsch nach mehr Action. Denzel spricht von lediglich 4
Kehren. Doch die folgenden Kilometer erweisen sich als höchst
anstrengend. Zunächst die bekannten Militärstraßenreste,
dann grober Schotter, später lose und reichlich. Das
ganze garniert mit Steigung satt. An eine Pause ist nicht
zu denken. Die Motorräder werden ordentlich versetzt.
Sie sind nur mit vollem Körpereinsatz einigermaßen auf
Kurs zu halten. Hose und Jacke kleben am Körper und ich
meine einen kleinen Schweißsee im Stiefel gespürt zu
haben. Ich kämpfe mich um eine Kurve und sehe BIG zu Fuß.
Er signalisiert eine Stelle zum Halten und die Aussicht
auf eine Pause vermindert meine Konzentration auf die zu
fahrende Strecke. Das Vorderrad macht sich das zu nutze
und schlägt ungefragt Kurs nach rechts ein. Ein kleines
bisschen zu spät greife ich korrigierend ein (rechts ist
nämlich ein ziemlich steiler Abhang) und habe nun Kurs
direkt auf den Berg. Das gefällt mir auch nicht, so daß
ich mein linkes Knie in den Tank ramme und wieder auf
meinen ursprünglich anvisiertes Ziel zusteuere. Puh! Die letzten Kilometer bis zum Col die Sampéyre sind dann wieder easy zu fahren. Ein Staubweg ohne besondere Schwierigkeiten. Hier ist dann wieder zügiges Fahren möglich. Vor der verlangten Actioneinlage schien das noch langweilig zu sein, jetzt aber kommt richtig Freude auf. Der Pudding weicht aus den Armen und ein breites Grinsen kommt auf. So entspannt gönnen wir uns auch noch die Sackgasse zum Colle della Bicocca. Hierher haben sich etliche Wanderer und Autos verirrt. Ansonsten bremst nichts den Vortrieb, bis der Staubweg nach 6 km einfach endet. Hier benötigen wir fast 10 Minuten um einen Italiener zu verstehen, der uns mitteilen will, daß alle deutschen Endurofahrer irgendwann hier landen. (Ich muß unbedingt noch einige Worte italienisch lernen). Völlig begeistert, daß wir im 4. Anlauf doch noch kapiert haben, was er sagen will, erklärt er noch schnell, welche Berge hier stehen, wie hoch sie sind und daß wir sie alle nicht befahren können. Noch ein kurzes Winken zum Abschied und wir machen uns auf zum Rückweg. Die Idee
bis zum Colle Birrone zurück zu fahren und dort den
Abzweig ins Valle Maira zu nehmen hatten wir während der
schwitzigen Grobschotterfahrt bereits wieder verworfen.
Wir gelangen über Stroppo und Dronero bis nach Caráglio.
Hier hatte ich morgens einen Hondahändler gesehen. Auf
dem Werkstattplatz steht eine Africa Twin von African
Queens veredelt. Wir zollen dem Gerät den erforderlichen
Respekt und machen bald den freundlichen Händler aus.
Französisch versteht er leider nicht, aber das macht
nichts. Es ist ja einfach zu erkennen, daß mir ein
Blinker fehlt. Nein einen Blinker für eine NX 650 hat er
nicht, aber er hat noch ein paar Transalpblinker. Die
sind aber etwas länger als die Dominatorblinker. Ob wir
mal versuchen wollen, ob das geht? Na klar. Mit Hilfe
unseres Werkzeuges läßt sich ein Versuch nur mit größeren
Umbaumaßnahmen unternehmen. Honda muß
Spezialschraubenzieher für die Domi erfunden haben, die
nicht länger als 2 cm sind - alles was länger ist läßt
sich nicht ansetzten. Wir murksen eine ganze Weile herum.
Der freundliche Hondahändler kehrt zurück und fragt vorsichtig nach, ob dem 10.000,00 Lire OK wären. Ich bin mehr als begeistert - in Deutschland hätte man mir schon 12,00 DM nur für das Glas abgenommen. Falls also mal jemand einen Motorradhändler in Italien braucht, kann ich den Honda-Mann in Caráglio nur wärmstens empfehlen. Auf dem Rückweg blinke ich mit kindlicher Freude bei jeder sich bietenden Gelegenheit.
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