16. September 2001 - Energiekriese

Noch vor dem Frühstück beladen wir die Motorräder und erscheinen erstmals wieder in Motorradklamotten und Crossstiefeln beim Frühstück. Angesichts der Blicke der übrigen Hotelbewohner scheint dies ein ausgesprochen bemerkenswerter Aufzug zu sein.

Nach einem entspannten Frühstück und Abschied von den Eltern und dem Wirt (er kann sein Satellitenbild mit miesem Wetter außerhalb der Province einfach nicht für sich behalten) klettern wir auf unsere Arbeitsgeräte. Was haben wir mit schlechtem Wetter zu tun. Pah - das macht uns gar nix.

Schon nach 10 km bläst der Wind böig und heftig, dennoch kommen wir auf den gut ausgebauten Flachlandgeraden gut voran.


Ich weiß das die Bilder vom Lac de Serre Ponçon nicht besonders abwechslungsreich sind - da es die einzigen
sind, die wir an diesem Tag gemacht haben, habe ich sie alle genommen.

Kurz hinter Digne beginnen wir die Suche nach einer Tankstelle. Das sollte ja kein Problem sein. Bisher war auch jede zweite Tankstelle offen. Und das obwohl Sonntags in Frankreich eigentlich nur Tankstellen in großen Orten offen sein sollen. Jetzt kommt aber offenbar keine mehr. Wir spulen Kilometer um Kilometer ab und keine Tankstelle hat geöffnet. Die Domi erkennt offenbar die Zeichen der Zeit uns zeigt sich so verbrauchsarm wie niemals zuvor. Noch nie war sie (incl. Reserve) mehr als 270 km gelaufen, nun zeigte der Tageskilometerzähler bei Erreichen des nicht gerade kleinen Städtchens Embrun 286 km. Da wären wohl auch noch an die 20 weitere Kilometer drin, aber die nächste größere Stadt wäre Briancon und das liegt noch ca. 50 km weiter.
In ganz Embrun fallen wir auf ganze vier 24-Stunden-Tankstellen herein. Leider kann man da nur rund um die Uhr tanken, wenn man eine geeignete Tankkarte hat. Bei der letzten der 4 Tankstellen tankt gerade eine Einheimische. In der Hoffnung mich bisher einfach nur blöd angestellt zu haben, frage ich sie, wie das geht. Sie erklärt, daß ich eine "Carte bleu" brauche - auf meine Frage, ob das eine EC-Karte sei, nickt sie bestätigend "Qui, qui". Dieses Luder! Mit einer EC-Karte geht da natürlich nichts. Ein belgischer Autofahrer versucht ebenfalls sein Glück - er versucht alle seine Kreditkarten: Nix.
Mißmutig starren wir auf den Automat und ziehen auf diese Art zwei Motorradfahrer an, die ebenfalls nix zu tanken bekommen. Sie können uns aber schon mal sagen, wo wir nicht hinzufahren brauchen (nämlich da wo sie herkommen), da gibt`s auch kein Benzin. Der Spruch, als Motorradfahrer müsse man flexibel sein und da unten habe er einen schönen Campingplatz gesehen, bringt mich ziemlich aus der Fassung. Verständnis und Flexibilität sind bei mir zur Zeit knapp. Die Jungs haben ja noch Reserven. Der eine verspricht für den Fall, daß er in der Nähe noch Benzin ausmachen kann, kurz anzurufen.
Kaum daß ich mich entschlossen habe in der örtlichen Gendarmerie um Hilfe zu bitten, kommt ein junger Franzose. Er hat nicht nur die gesuchte "Carte bleu", sondern auch Verständnis für unser Problem und gibt uns Benzin gegen Bares. Daß er mein idiotisches Gefasel verstanden hat, beeindruckt mich bis heute.

So kommt es, daß wir nach nur 1,5 Stunden endlich mit vollen Tanks weiterfahren können. In Briancon sind dann zu allem Überfluss offenbar sämtliche Tankstellen geöffnet....

Wir überqueren den Col de Montgenèvre und landen in Oulx. Es ist schon kurz vor vier, die Sonne läßt nach. Uns wird irgendwie klar, daß wir nicht mehr bis kurz hinter das Val d'Isere oder gar bis Courmayeur kommen werden. Also fahren wir noch schnell bis nach Susa um dort zu übernachten. Susa sieht nach einer vergleichsweise großen Stadt aus - da wird es ja wohl ein vernünftiges Hotel geben. Gibt es nicht! Es gibt keine Touristeninformation, im ganzen 4 Hotels, davon ist eines geschlossen, eines besteht offenbar lediglich aus einem Hinweisschild und die restlichen zwei sind häßliche ***Hotels, die pro Nacht die Unverschämtheit von DM 160,00 ohne Frühstück und ohne Garage verlangen. Auf keinen Fall!

Wir entschließen uns, hier im Umland nach einem anständigen Hotel zu suchen. Wir ziehen immer größere Kreise - vergeblich. Als wir schon gut 10 km Richtung Mont Cenis gefahren sind ist immer noch kein Hotel in Sicht. Dann können wir auch noch schnell rüber nach Frankreich fahren. Angesichts der vorhandener Währung ohnehin die bessere Wahl. Auf dem Weg bergauf, läßt das Wetter immer mehr nach. Es wird kühl, es nieselt, es nieselt stärker, es wird kälter, die Tropfen verfestigen sich - es SCHNEIT! Na toll! Wir wechseln die Handschuhe - umkehren kommt nicht in die Tüte. Morgen müssen wir sowieso hier lang - und da wird das Wetter auch nicht besser sein. Also weiter. Die Wolken hängen tief, die Sicht ist bescheiden. Troz dicker Winterhandschuhe melden sich meine Finger wenig später ab.
Der Stausee (Lac de Mont Cenis) sieht toll aus: Der Wind peitscht das Wasser auf und die dunklen Wolken tauchen die Umgebung in eine spannende Atmosphäre. Das Wasser ist dunkelblau, noch dunkler als der Himmel und die Schaumkronen auf den Wellen sind fast grell weiß. Leider kann ich mit meinen tumben Fingern noch nicht einmal das Topcase öffnen, geschweige denn ein Foto machen. Auch BIG ist es in seiner leichten Sommerhose offenbar etwas zu frisch für einen Halt und so schlängeln wir uns auf der anderen Seite zügig bergab.

Endlich in Lanslevillard angekommen finden wir nur geschlossene Hotels. Den mehrdeutigen Richtungshinweisen auf das Hotel Mélèzets folgen wir mit einigen Schwierigkeiten. Da die Hinweise mit der Bemerkung "ouvert" versehen sind, lohnt sich der Aufwand ja. Nach dem dritten Verfahrer haben wir es endlich gefunden. Mühsam quäle ich mich durch die Anleitung zur Benutzung des Telefons zwecks Erreichen der Rezeption. Nach dem letzten Absatz folgt ein winziger Hinweis "fermé". Langsam kommt mir die Galle hoch - doch ich kann den Reiz irgendetwas einzuschlagen - unterdrücken.
Immerhin gibt es einen Hinweis auf ein Ausweichhotel. Leider ist dort nur der Name des Hotels vermerkt und nicht der kleinste Hinweis, wo das sein soll.

Wir fahren also weiter nach Lanslebourg und treffen am Ortseingang auf das erwähnte Ausweichhotel: geschlossen. SCHNAUB!

Doch es tut sich schräg gegenüber gleich eine Alternative auf. Als ich darauf zu laufe, spricht mich eine rot gekleidete Französin an und empfielt es mir. BIG kehrt gerade von einer weiteren Alternative zurück - die Hotels scheinen sich nicht wesentlich zu unterscheiden, also folgen wir der Empfehlung der "roten Frau".
Eine gute Wahl:
Für 250,00 Franc die Nacht incl. Garage bekommen wir ein Zimmer mit enorm leistungsfähiger Heizung, Garage für die Motorräder. Zum Abendessen gibts dann ein gigantisches Steak für 32 Franc pro Nase - alles wird gut.

Statistik
Tageskilometer 250  
Startzeit 10:15 Uhr  
Endzeit 19:30 Uhr  
Denzel