17. September 2001 - Eis und Schnee

Der morgen graut und oberhalb der ersten 6 Baumreihen sitzt eine dicke Nebelschicht. Es ist eiskalt. Kaum 30 Minuten später ist kein einziger Baum mehr zu sehen - nur noch eine fast undurchsichtige Nebelwand. Die Wettervorhersage läßt auch keine Freude aufkommen.

Wir sind noch keine 10 km gefahren als wir auf eine Straßensperre treffen. Wir müssen warten. Die Gelegenheit ist günstig, den Posten zu fragen, wie es denn so auf den Straßen aussieht: Schnee; ja auch auf der Straße - er weist grinsend auf das Schild, daß Schneeketten vorschreibt. Sehr witzig!

Wir werfen einen tiefen Blick in die Karte: Wir können zurück über den Mont Cenis nach Italien und von dort aus über die Autobahn Richtung Schweiz oder einen weiten Bogen, tiefer nach Frankreich machen. Weiter Bogen ist ganz schlecht, das dauert ja ewig - das kann's ja wohl nicht sein. Erst quälen wir uns über den Mont Cenis, einzig angetrieben von dem Gedanken, daß wir da ja sowieso hin müssen und jetzt sollen wir wieder zurück? Na, dann können wir wenigstens noch ein Foto machen....

Der Posten kommt angelaufen und fragt, warum wir nicht losfahren, er habe die Straße doch freigegeben. Er blickt in zwei verwirrte Gesichter - wir dachten: Winterreifen und Schneeketten!??! So schlimm sei es nun auch nicht - das würde schon passen.
Ich glaube, das wollten wir hören - also rauf auf den Iseran, hoch auf 2770 Meter.

Nur Minuten später passieren wir die Schneegrenze (ca. 1600 Meter) - das kann ja heiter werden. Es wird immer kälter und die Straße glänzt - das scheint naß aber nicht glatt zu sein. Bald tauchen auch Schneefelder auf der Straße auf - der Gipfel ist lange nicht in Sicht. Wir legen eine kurze Pause ein.

Die Kühe auf der Weide nebenan haben überhaupt kein Verständnis dafür, daß wir sie nicht abholen wollen. Ein penetrant vorwurfsvoller werdendes "Muuhhhh" hallt durch die Berge. Sorry, aber wir können nix für euch tun.

Weiter gehts, der Schnee knirscht unter den Reifen und die glänzenden Stellen sehen irgendwie glatt aus. Ich verzichte darauf den Fuß zu Testzwecken 'rauszustellen. Ich will's gar nicht wissen. BIG tuts - gibt aber kein Zeichen. Dann ist es also entweder nicht glatt, oder er behält es für sich. (Und er behielt es bis zum abend weiter für sich.)
Die Aussicht auf einen heißen Kaffee treibt mich an, wie einen Gaul, dem man eine Mohrrübe vorhält. Eine schöne große, heiße Tasse wird auch meine völlig unbeweglichen Finger auftauen.

Oben - geschafft - endlich!
Pech nur, daß die Kneipe zu hat - alles völlig geschlossen, verrammelt und verriegelt.

Es bleibt mir also nichts, als einen kleinen Regentanz zu veranstalten, auf der Stelle zu hüpfen um wenigstens meine Füße zurück zu bekommen. BIGs Finger sind zwar kalt aber gut zu bewegen, er erbarmt sich und lichtet die Szenerie ab.

Zu meiner Überraschung ist die Straße auf der Nordseite bergab freier als auf der Südseite. Irgendwie unlogisch - aber egal. Es wird sogar etwas heller und Wind kommt auf. Na prima - erst schmilzt die Sonne den Schnee, dann läßt der Wind ihn gefrieren. Das und meine praktisch unbeweglichen Finger, denen jedes Gefühl abgegangen ist, lassen uns relativ langsam vorwärts kommen.

Val d'Isere in Sicht - Endlich was heißes.
Hier kehren meine Finger zurück - aber es tut höllisch weh. Zu allem Übel hat sich die Crossbrille im Laufe des Urlaubs offenbar verformt - jedenfalls hat sich die ganze Zeit erheblich auf meine Sehbrille gedrückt und die Nasenbügel und den Mittelsteg tief in die Nasenwurzel gebort. Der Abdruck ist dunkelrot. Dank der schmerzenden Finger merke ich das aber kaum.

Es sind fast zweieinhalb Stunden vergangen und wir haben keine 60 km auf dem Tacho. Jetzt muß es aber voran gehen.

Zwischen Val d'Isère und Sèez durchfahren wir zwei Tunnelgalerien, 150 und 220 Meter lang und noch etliche weitere kleine und kleinste Tunnel. Alles gänzlich unbeleuchtet und in mieserabelen Zustand. Man tut gut daran auf plötzlich auftretende tiefe Löcher zu achten - sie kommen bestimmt. In einem der Tunnel wird die Straße gerade ausgebessert, Besserung ist zu erwarten.

Der kleine Bernhard hat noch viel mehr Schnee als der Iseran - obwohl er 600 Meter tiefer ist. Hier gelingt es mir meine - wie üblich - abgestorbenen Finger wieder zu beleben.

Die Stimmung steigt jedoch erst, als uns auf dem Weg in's (italienische) Tal 2 Domis und ein SMART entgegen kommen. Die Sonne kommt kurz darauf wieder auf. Das will ausgenutzt werden. Wir machen Rast.

Brillentausch und Nahrungsaufnahme stehen auf dem Programm. Nach einer kleinen, völlig überflüssigen Rundfahrt durch Aosta erreichen wir die Zufahrt zum großen Bernhard. Es ist bereits halb fünf - da muß eine weitere Schneefahrt über 2400 Meter nicht unbedingt sein. Wir halten uns also Richtung Tunnel.

Um fünf erreichen wir dann unser letztjähriges (teures aber gut beheiztes) Hotel. Wir nehmen das auch heute wieder an und wärmen uns erst mal ordentlich auf. Es beginnt wieder zu schneien - jetzt aber flott noch die Kette gefettet und die Packtaschen abgefummelt. Unnötig zu bemerken, daß es aufhört zu schneien, als wir fertig sind... Jetzt erst mal eine heiße Dusche und dann ab in's Bett. Den Fernseher angeschmissen und per Videotext erst mal zweieinhalb Wochen Weltgeschehen nachgeholt.

Statistik
Tageskilometer 200  
Startzeit 9:45 Uhr  
Endzeit 17:00 Uhr  
Denzel Kz 457 Col de l' Iseèran
  Kz 395 Colle del Piccolo San Bernardo
 

Kz 218

Tunnelstraße Großer St. Bernhard
Kosten
gr. Bernhard Tunnel
19.000 Lire pro Mensch
und Motorrad