11. September 2001 - Ligurische die zweite

Bei recht bedecktem Wetter setzen wir zum zweiten Angriff auf die Ligurische Grenzkammstraße an. Zwecks Abwechslung beginnen wir heute in der entgegengesetzten Richtung - vom Col de Tende aus. An der ersten Kreuzung (nach dem Fort Central) entscheiden wir uns für den linken Abzweig. Der Weg rechts herum sieht vergleichsweise neu aus - es ist genau die Straße, die man vom Fort Central, vor allem aber vom Fort Marguerie aus gut sehen kann. Da Denzel in diesem Zusammenhang immer von herrlichen Ausblicken u.a. auf die Ligurische Grenzkammstraße spricht, gehen wir davon aus, daß auch der rechte Abzweig zum Ziel führen müßte. Wir nehmen uns daher vor, diese Straße später noch zu erkunden (12.9.01).

Die Strecke zum Col de Boaire ist wirklich ziemlich schmal - wobei wir noch Glück hatten, denn es liegen keine Schneereste, die die Fahrbahn weiter einschränken (was angesichts der bisher gelesenen Berichte über dieses Stück durchaus häufig der Fall ist). Ein Motorrad und ein Geländewagen kommen nur aneinander vorbei, wenn sich das Motorrad ganz an den Berg fährt und nebst Pilot schräg anlehnt. Der Geländewagen muß sich dann immer noch milimetergenau vorbeischlängeln - von einem Freiflug ins ewige Nirvana nur ganz knapp entfernt.

Und die Qualität der Straße ist auch nicht so prima. Was mich aber hauptsächlich bremst ist eine wiederaufkeimende Panik. Als ich mich auf einer Felsstufe festfahre und diese nur mit Kurs auf den stattlichen Abgrund umfahren könnte, muß BIG schiebend und sichernd eingreifen. Es kostet mich alle Überwindung, diese alberne Passage zu befahren.

Der Blick am Boaire ist jedenfalls sehr interessant. Die "weiße Pyramide" hat es mir angetan. Von der Rückseite dieses seltsamen weißen Gipfels, kann man das gar nicht sehen. Es wird wohl irgend eine Form von Steinbruch sein.

Wenig später erreichen wir den Col de Boaire - die wohl meist fotografierte Stelle der Grenzkammstraße. Leider erreicht meine undefinierbare Panik ebenfalls einen Höhepunkt. Ich kann nichts dagegen tun, daß meine rechte Hand andauernd nach der Bremse langt. Die Witzchen, daß dieses Mahnmal wohl an das Schicksal des letzten Enduristen erinnern soll, der hier vorne gebremst hat, heitern mich zwar auf, verbessern meine Fahrkünste aber nicht.

Schließlich fährt BIG die Domi das letzte Stück um die meistfotografierte Kurve herum.

Meine eigene Verständnislosigkeit angesichts dieses Versagens wird nur noch von BIGs Bermerkung übertroffen, daß das so keinen echten Sinn habe.
Wenig später verschwand meine Panik genauso grundlos, wie sie gekommen war. Wir wuchteten die Maschinen Wege hinauf die kein bisschen besser waren, als die bisherigen - nur daß ich sie einfach gefahren bin.

Nach dem Col de Vecchie ist die Strecke dann praktisch gefällefrei und nur noch sehr fein geschottert. Die klassische Kindergeburtstagsstrecke. Wir kommen entsprechend flott voran. Zu sehen gibt es da jedoch nicht all zu viel, man ist über weite Strecken praktisch im Wald unterwegs.

Die Tanarell-Umfahrung über Monesi beschert uns den täglichen Verfahrer. Man sollte sich doch gleich rechts halten. Fährt man der Straße nach, gehts irgendwie nicht weiter.

Das Wetter hatte immer mehr nachgelassen. Am Garezzo-Tunnel (die Stelle an der wir am Vortag kehrt gemacht hatten) schlug die Kühle dann endgültig in eisige Kälte um. Die Sonne hatte sich schon lange nicht mehr blicken lassen. Wir gönnten uns daher ein Innenfutter in die Jacken. Die Winterhandschuhe ziehe ich allerdings direkt wieder aus - die Dinger sind so dick und stur, daß ich mit meinen ohnehin leicht unbeweglichen Fingern gar kein Gefühl mehr für die Domi habe.

Die restliche Strecke kannten wir ja schon von gestern. Allein die LKW-Strecke ersparten wir uns heute und nahmen statt dessen die engen Serpentinen bis La Brigue.

In Tende legen wir noch einen kleinen Zwischenstopp zwecks Einkauf von Verpflegung ein.

In einer Häuserschlucht entdecken wir die Brücke von Tende, die so bemerkenswert sein soll. Ehrlich gesagt erscheint sie uns nicht ganz so bemerkenswert, so daß wir auf den Versuch ihr etwas näher zu kommen verzichten.

Als wir in's Hotel zurückkommen redet unsere Wirtin aufgeregt auf uns ein. Vielleicht auch weil wir es nicht verstehen wollen, muß sie lange auf uns einreden, bis wir begreifen, daß es ein Attentat auf das World Trade Center in New York gegeben hat.

In der Garage entdecken wir eine Afria Twin. Der Pilot findet sich auch bald auf der Terrasse ein. Wir quatschen uns gleich fest, so daß wir erst gegen zehn bemerken, daß wir noch nichts gegessen haben. Die Wirtin hat ein Einsehen und macht uns noch etwas Pasta. "Noch so ein verrückter Motorradfahrer, der bei 10 °C auf der Terrasse sitzt", denkt sie offenbar und verläßt für den Rest des abends ihren warmen Platz am Kamin nicht mehr.

Statistik
Tageskilometer 120  
Startzeit 10:15 Uhr  
Endzeit 19:30 Uhr  
Denzel Kz. 437 Ligurische Grenzkammstr